Leseprobe:
Der
wilde Mann
Im Veilchenweg stand kürzlich ein LKW vor dem Haus Nummer 13.
Vier Wochen davor hatte die alte Frau Graukopf einen Platz im
Seniorenheim bekommen und jetzt vermietete sie ihr Häuschen.
Frau Koch von Nummer 10 schaute aus dem Küchenfenster und vergaß,
den Bohneneintopf umzurühren. Herr Saubermann von Nummer 12 hörte
auf, den Gehweg zu kehren, und stützte sich auf seinen Besen.
Frau Rosenfeld von Nummer 11 schaute beim Unkrautjäten nicht
mehr hin, was sie zupfte.
Michi und seine Schwester Tina von Nummer 7 hielten ihre Fahrräder
an und schauten den Umzugsleuten zu, wie sie schwere Schränke
und Sessel aus dem LKW hievten. Dann kam ein kleiner Mann aus
dem Haus Nummer 13, nur einen halben Kopf größer als der neunjährige
Michi. Sein schwarzes Haar stand wild in alle Richtungen, seine
dunklen Augen wurden von den buschigen Augenbrauen beinahe
verdeckt, sein langer Bart war zerzaust und seine Hände
steckten tief in den Taschen seiner verwaschenen lila Latzhose.
Die Kinder wichen erschrocken einen Schritt zurück. Frau Koch
brannte der Bohneneintopf an. Herrn Saubermann fiel der Besen
aus der Hand und Frau Rosenfeld riss versehentlich ihre schönsten
Nelken aus.
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